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Manchmal habe ich keine Lust, die Bibel zu lesen.

Manchmal habe ich keine Lust, die Bibel zu lesen. Nach 20 Jahren christlichem Umfeld kennt man irgendwie doch die meisten Geschichten und hat viele Wahrheiten schon längst verinnerlicht. Da kann es schon passieren, dass einem die Begeisterung für Gottes Wort flöten geht.

Im Sommer habe ich 10 Wochen in Abidjan (Elfenbeinküste) verbracht und durfte mir ein Bild von den vielfältigen Arbeitsschritten rund um Bibelübersetzung machen. Eigentlich habe ich fast alles miterlebt: von Sprachforschung über Alphabetisierung zu stundenlangen Überprüfungsrunden, ob die Texte richtig übersetzt wurden und Leseübungen in entlegensten Dörfern. Bibelübersetzung erfordert so viel Präzision und so viel Geduld und Flexibilität. Oft müssen Erkenntnisse wieder über den Haufen geworfen und revidiert werden. Manchmal ist es wirklich zum Verzweifeln. Wenn man in einem Übersetzungsprozess feststeckt kann man leicht ins Fragen kommen, ob sich die ganze Mühe überhaupt lohnt, wenn hinterher sowieso nur eine Handvoll Menschen vom Ergebnis profitiert.

Aber ganz am Ende meiner Zeit in Abidjan durfte ich noch miterleben, wie ein Dorf nach 26 Jahren Arbeit sein neues Testament erhalten hat. Wir wurden mitgerissen von der Freude dieser Menschen, die stundenlang tanzen und musizieren, weil Gottes Wort endlich zu ihnen gekommen ist. Mich hat sehr bewegt, was einer der Pastoren sagte: „Endlich sind wir nicht mehr darauf angewiesen, dass jemand uns sagt, was Gott sagt. Endlich gibt es wirklich nur noch einen Mittler zwischen Gott und Menschen. Endlich können wir Jesus, den Mittler, alle persönlich kennenlernen.“

Es sind nur ein paar Tausend Menschen, die diese Bibel lesen werden. Aber wenn doch auch nur ein einziger dadurch zu Jesus, dem einzigen Mittler zwischen Gott und Menschen kommt, dann hat es sich doch gelohnt. Dann war es doch allen Aufwand und all die Stunden in der brütenden afrikanischen Hitze wert. Ich stelle mir vor, wie diese Menschen das Wort Gottes zum ersten Mal lesen und erleben, wie es sie verändert. Ich freue mich so an dem Gedanken, dass Gott alle Sprachen spricht und auch diese Volksgruppe zum ersten Mal seine Stimme in ihrer Muttersprache hören darf.

Was für ein Vorrecht, dass Gott mir persönlich begegnen möchte! Sogar in meiner Sprache! Und nicht nur einmal, sondern täglich, wenn ich die gleichen alten Texte lese. Die Freude dieser Menschen hat mich ganz neu von Jesus begeistert, und mich ermutigt, meine Bibel in der Erwartung zu lesen, dass Gott direkt spricht.

 

Luca Meis, für wycliffe.ch